Regenwasser sammeln verboten? Diese Regeln gelten in der Schweiz.
Versiegende Wasserquellen in den Alpen, wiederkehrende Dürreperioden, Waldbrände. Die Auswirkungen von Wassermangel werden einerseits von Jahr zu Jahr deutlicher. Andererseits spülen wir noch immer pro Haushalt und Tag hunderte Liter unseres kostenbaren Trinkwassers buchstäblich zur Toilette hinunter – eine unnötige Belastung für unsere natürlichen Grundwasserreserven. Doch gibt es legale Alternativen?
Die Frage liegt nahe: Darf man das kostenlose (und zeitweise in rauen Mengen verfügbare) Regenwasser als Alternative für Garten, Haus und Betrieb nutzen? Regen wird schliesslich seit Menschengedenken in Töpfen, Fässern und Tanks aufgefangen und zwischengelagert. Auch heute noch wäre Regenwasser die perfekte Alternative zu Trinkwasser für die Bewässerung von Gärten und auch für die Toilettenspülung. Wir gehen der Frage nach, ob die Regenwassernutzung in der Schweiz verboten oder erlaubt ist.
Der Mythos: Regenwasser sammeln verboten
Die Blumen im Garten mit kühlem Nass zu bewässern, das uns schon vor Tagen oder Wochen von vorüberziehenden Wolken geschenkt wurde, anstatt Trinkwasser zu verschwenden – klingt doch wunderbar. Denkt man an nicht allzu ferne Länder, in denen es Trinkwasser nur in PET-Flaschen gibt, sind die Zeiten von Trinkwasser in der Klospülung auch hierzulande definitiv gezählt. Also darf guten Gewissens ein Regenwassernutzungssystem im Erdboden versenkt und ans Haus angeschlossen, oder das Dachwasser direkt in eine Regentonne umgelenkt werden? In Internetforen gehen gar die Emotionen hoch, wenn Fragen gestellt werden, wie: „Warum darf man kein Regenwasser sammeln?“.
Aber diese Fragen haben ihre Berechtigung. Niemand möchte sich schliesslich eine grössere Anschaffung leisten, und sich dann bestenfalls nur in einem gesetzlichen Graubereich bewegen. Höchste Zeit also, sich mit dem Mythos „Regenwasser sammeln verboten“ zu befassen.
Die Gesetzeslage in der Schweiz
Kurzum die gute Nachricht vorweg: Es gibt kein Gesetz in der Schweiz, welches das Sammeln und Nutzen von Regenwasser verbietet. Ganz im Gegenteil! Das Bundesamt für Umwelt BAFU fasst die drei wichtigsten Pfeiler für die Schonung der Ressource «Wasser» wie folgt zusammen:
- Die Förderung der natürlichen Versickerung des Regenwassers
- Den sparsamen Umgang mit Trinkwasser
- Eine sinnvolle Nutzung des Regenwassers
Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft (BUWAL), Bern, 2003 via BAFU abgerufen im Sept. 2023
Damit ist klar: Wer Regenwasser auffängt und im Haushalt oder im Betrieb nutzt, handelt im Sinne von Bund und Umwelt. Doch es gibt auch Besonderheiten, die es dabei zu beachten gibt.
Regenwasser sicher nutzen. Klare Regeln.
Der Trinkwasserverbrauch beläuft sich pro Kopf und Tag auf 162 Liter. Davon entfallen stolze 69 Liter auf Gartenbewässerung (4l), Wäschewaschen (17l) und Toilettenspülung (48l), die mit Regenwasser abgedeckt werden könnten. Während der Regen für die Gartenbewässerung über Regentonnen einfach aufgefangen und von dort weiterverwendet werden kann, gestaltet sich die Nutzung im Haushalt etwas komplexer und benötigt unbedingt das Know-how von Experten.
Für die Nutzung von Regenwasser im Haushalt ist der Einbau eines Regenwasserspeichers notwendig. Der Verband Regenwassernutzung Schweiz (VRS) rät dazu, u.a. folgende Versorgungs- und Hygieneaspekte zu beachten.
- Keller oder Garage sind ungeeignet für den Einbau eines Regenwasserspeichers, da der Lichteinfall zu Algenwachstum führen kann.
- Der Regenwassertank sollte mindestens 1 Meter unter der Oberfläche versetzt werden, um das Bauwerk vor Frost zu schützen.
- Jene Flächen, über die das Regenwasser in den Tank geleitet werden, sollten keine auswaschbaren Schadstoffe oder Schwermetalle aufweisen.
Während längeren Trockenperioden ist zudem damit zu rechnen, dass der angelegte Regenwasserspeicher versiegen kann. Daher werden sämtliche geeigneten Verbraucher im Haushalt oder Betrieb stets auch parallel an die Trinkwasserversorgung angeschlossen, was den Weiterbetrieb ohne Unterbruch ermöglicht. Der in einem Regenwassernutzungssystem inkludierte Regenmanager steuert den Zufluss aus dem Trinkwassernetz, sollte der Wasserstand im Regentank auf ein festgelegtes Niveau gesunken sein. Um den Rückfluss von mit chemischen oder mikrobiologischen Verunreinigungen Regenwasser ins Trinkwassernetz zu verhindern, trennt der Regenmanager normgerecht Trinkwasser von Regenwasser nach DIN EN 1717.
TIPP: Für betriebliche Zwecke in grösserem Ausmass, Schwimmbäder oder Bauernhöfe eignet sich eine Sicherheitstrennstation oder Netztrenner, die eine Rückverkeimung in das öffentliche Trinkwassernetz zuverlässig verhindert.
Wichtig: Achten Sie darauf, dass Entnahmestellen wie z.B. Wasserhähne, die unter anderem mit Regenwasser gespeist werden, mit einem gut sichtbaren «Kein Trinkwasser»-Schild gekennzeichnet sind.
Für wen eignet sich eine Regenwassernutzungsanlage?
Die Nutzungsmöglichkeiten für Regenwasser sind mehr als nur vielfältig und sollten in jedem Fall individuell bewertet werden. Insbesondere bei Neubauten oder Renovationen kann ein Regenwassernutzungssystem für einen höheren ökologischen und ökonomischen Nutzen sorgen.
- Haushalte, die Toilettenspülungen und Waschmaschine mit Regenwasser versorgen, den Garten giessen oder das Auto waschen möchten.
- Bürogebäude, Gastronomien, Spitäler oder öffentliche Gebäude mit vielen Toiletten
- Landwirtschaftliche Betriebe, die ihre Tierställe mit Regenwasser reinigen möchten.
- Autowaschanlagen oder Betriebe mit Abspritzplätzen für Lastwagen und Busse
- Industrieanlagen, die Regenwasser als Prozesswasser einsetzen können.
Regenwasser sammeln & nutzen: die Vorteile
Wasser, das ganzjährig kostenlos vom Himmel auf unsere Dächer und Felder fällt, hat einen unschätzbaren Wert. Es kann aber noch weitaus mehr:
- Grundwasser enthält von Natur aus Kalk. Trinkwasser mit hohem Kalkgehalt, auch hartes Trinkwasser genannt, verursacht Kalkablagerungen in der Waschmaschine, der Toilettenspülung sowie in den Leitungen. Regenwasser hingegen enthält nahezu keinen Kalk und schont die Geräte und Installationen. Die Lebensdauer dieser Anlagen wird somit deutlich erhöht.
- Durch den verminderten Trinkwasserbedarf werden Frischwassergebühren und (je nach Tarifordnung) auch Abwassergebühren gespart.
- Da den Quellen und dem Grundwasser weniger Trinkwasser entnommen wird, leistet jeder gesparte Liter Regenwasser einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz. Zudem sind moderne Regenwassertanks vollständig recyclefähig.
- Bei Starkregen werden Kanalisationen und kommunale Abwasserreinigungsanlagen immer öfters von starken Zuströmen aus überbauten Flächen «überschwemmt». Regenwassertanks leisten einen wertvollen Beitrag, Oberflächenwasser zeitverzögert ins Meteornetz abzuleiten, was eine temporäre Entlastung des Abwassersystems zur Folge hat (siehe Retention Regenrückhaltung).
Fazit: Regenwasser sammeln & nutzen - erlaubt und erwünscht.
Es gibt in der Schweiz und auch in Liechtenstein kein Gesetz, das die Nutzung von Regenwasser in Garten und Haushalt verbietet. Ganz im Gegenteil liegt dies im Sinne der Öffentlichkeit – und je nach Nutzen – auch im Sinne des jeweiligen Bauherrn. Selbst im kleinsten Rahmen ist die Regenwassernutzung eine rundum günstige und wünschenswerte Angelegenheit. Wir möchten unsere Recherche mit dem Fazit des Bundesamt für Umwelt abschliessen: «Die Regenwassertonne zur Gartenbewässerung ist immer sinnvoll und kann überall installiert werden. Dies ist die einfachste und umweltfreundlichste Art, Regenwasser zu nutzen.»
Quellen: BAFU, hausinfo.ch der GVB und HEV Schweiz